Die Schwächen des Kleinfamilienmodells

Frühe Geschichte und Jungsteinzeit

Menschen haben nicht schon immer in Kleinfamilien und Zweierbeziehungen gelebt. Noch bis in die Jungsteinzeit und die Anfänge der Sesshaftwerdung lebten die Menschen im heutigen Europa, Zentralasien und sehr wahrscheinlich auch weltweit in Familienverbänden, Gruppen und Dorfgemeinschaften. Eine Zweierbeziehung war existenziell nicht wichtig, die Ehe so wie heute gab es nicht, denn um die Familien herum gab es die Gemeinschaft, die den Rahmen schaffte und Existenzielles regelte: Wenn z. B. irgendwo ein Haus kaputt war, wurde es gemeinsam repariert und auch Lebensmittel wurden in der Gemeinschaft gerecht verteilt. Es war nicht jeder alleine für sich, so wie es heute ist. Kinder wurden nicht nur von ihrer eigenen Familie versorgt, sondern die ganze Gemeinschaft war ihr persönliches und kreatives Umfeld. So lernten sie etwa spielerisch beim Onkel in der Werkstatt oder halfen bei Dingen, die um sie herum getan wurden, die sie interessierten oder für die sie talentiert waren wie etwa bei der Zubereitung oder der Konservierung von Essen, beim Sammeln oder Anbau von Nahrung und medizinischen Pflanzen, übten sich im Kunsthandwerk oder in der Herstellung von Werkzeugen und anderen Dingen. Kinder wurden sehr geschätzt und bei Anlässen wie zum Beispiel Beerdigungen gab es Verantwortliche, die diese Rituale altersgerecht mit ihnen begingen.

Es waren friedliche Zeiten, in denen es keine Großmacht gab, sondern Beziehungen und Austausch zwischen Familien, Handwerkern und Händlern. Die Menschen lebten verbunden mit der Natur in vorwiegend matriarchalen Strukturen, trieben Handel mit anderen Gruppen und respektierten sich gegenseitig.

Mich interessiert das Leben aus diesen früheren Zeiten sehr und ich habe das Glück, eine starke intuitive Verbindung in diese Vergangenheit und auch Erinnerungen daran zu haben.

Auch, wenn dies sehr weit zurückliegt, denke ich, dass wir auch und gerade heute von diesen Kulturen lernen können, denn es sind unsere Wurzeln, die uns stärken können. Wenn wir uns damit beschäftigen, können wir uns selbst besser verstehen und wichtige Dinge aus den alten Lebensweisen in unser Bewusstsein holen und in unser eigenes Leben integrieren.

Die größeren Probleme und Konflikte entstanden mit der zunehmenden Sesshaftwerdung und dem daraus resultierenden Bevölkerungswachstum. Die Menschen hatten mehr Getreide und nahmen auch Milch von den Tieren, die sie bei sich hielten. Es gab mehr Nahrung im Überfluss und es wurden mehr Vorräte gelagert, was dazu führte, dass Frauen mehr Kinder bekommen konnten und immer mehr ins Haus gedrängt wurden. Männer übernahmen mehr Entscheidungen im Außen und es kam auch zu territorialen Konflikten. Das Patriarchat entstand nicht von heute auf morgen, aber es war ein unaufhaltsamer Prozess. Es wurden Zweckehen geschlossen, um Frieden zwischen verschiedenen Stämmen zu schaffen und zu sichern. Womöglich waren zu Anfang auch Frauen als Entscheidungsträgerinnen an diesen Abmachungen beteiligt und gaben ihr Einverständnis für diese Lösungen, ohne gleich die Tragweite zu erkennen. Denn dies führte natürlich dazu, dass junge Frauen und Mädchen weggegeben wurden und sich in die andere Gruppe anpassen mussten. Sie verloren den Rückhalt ihrer eigentlichen Gemeinschaft und ihre eigene Kraft, die sie aus dieser natürlichen Geborgenheit bezogen. Es hatte nicht mehr viel mit der ursprünglichen Idee zu tun, dass die Stämme zusammenhalten oder Gemeinschaften zusammengeführt wurden. Diese Mädchen wurden geopfert, die Entscheidungsträger waren mehr und mehr die „Gastfamilien“, in die sie gegeben wurden, also der fremde Stamm, in den sie sich einpassen mussten, und so begann die Unterordnung der Frauen. Womöglich war die Behandlung nicht immer schlecht, und doch wurden ihre Wurzeln abgeschnitten, was ein demütiges Verhalten förderte und sie direkt oder indirekt zu Gefangenen machte. Dies wurde durch die Generationen fortgetragen. Es waren die Anfänge der Machtverlagerung und der Unterdrückung und Entrechtung der Frauen, eine Entwicklung, die Jahrtausende bis in unsere heutige Zeit andauern sollte. Männer übernahmen so auch immer mehr Funktionen, die vorher den Frauen zuteil gewesen waren.

Familien heute

Noch bis in die 70-er Jahre hinein musste ein Mann seiner Ehefrau erlauben, arbeiten zu gehen und selbst Geld zu verdienen. Es war nicht nur im Mittelalter so, dass es existenziell für eine junge Frau war, sich bald möglichst zu verheiraten und sich sexuell zur Verfügung zu stellen, um versorgt zu werden, sondern das ist alles gar nicht so lange her. Und in islamischen Kulturen ist es immer noch so.
Wir haben heute nicht mehr die ganz so patriarchalen Strukturen wie noch die letzten Generationen. Das Patriarchat verliert schon an Macht.
Aber betrachten wir das Kleinfamilienmodell an sich in Bezug auf die Gemeinschaften, wie es sie früher gab: Heute lebt jede Familie für sich – zwar oftmals Tür an Tür und auf engem urbanem Raum, trotzdem gibt es diese unsichtbare Isolierung und Trennung: eigenes Kapital, und jede Person hat ihren eigenen Stress. Sogar die Kinder, die bereits in der Schule ihren persönlichen Leistungsdruck haben, der unnötig ist und sie voneinander separiert, obwohl sie in einem Raum gemeinsam mit anderen sitzen. Obwohl es so viele berufliche Möglichkeiten gibt, ist der Druck groß und viele Menschen arbeiten mehr, als dass sie Freizeit haben. Das leben ist separiert in Arbeit und Freizeit. Freizeit wird offiziell viel zu sehr mit „Faulsein“ gleichgesetzt, aber wir brauchen unsere freie Zeit, um zu regenerieren, um nicht nur zu funktionieren, um unsere eigenen Projekte voranzubringen, uns mit Freunden auszutauschen, Netzwerke zu bauen und mit unseren Kindern zusammen Dinge zu unternehmen.
Das Kleinfamilienmodell wird immer mehr zur Sackgasse, viele Mütter fühlen sich in ihrem Haushalt und als Bezugsperson isoliert, überfordert und einsam, aber auch Männer sind überfordert. Die Ehe als Institution ist am Limit, natürliche Grundbedürfnisse wie Wohnen sind teuer geworden und Burnout und Leistungsdruck sind auch bei Kindern und Jugendlichen immer mehr präsent.


Ich habe habe als alleinstehende Mutter mit meiner Tochter verschiedene Wohnmodelle probiert, nachdem ich gemerkt habe, dass Zweierbeziehungen mich bis dahin mehr gestresst als entlastet haben. Ich habe mich darin gefangen oder ausgelaugt gefühlt und immer irgendwie die Menschen „drumherum“ vermisst. Richtig bewusst war mir das aber anfangs nicht, da auch ich mit diesen Werten aufgewachsen bin und es uns in der Jugend bereits implementiert wurde, dass es so wichtig ist, einen „Partner“ zu haben. Vor allem über die Medien. Damals lief das über Jugendzeitschriften, es gab ja noch kein Internet. Als Mama mit Tochter fehlte mir für uns beide in vielen Situationen so etwas wie ein soziales Gefüge oder ein größeres Miteinander, in dem man sich gegenseitig unterstützt. Es gibt dieses Sprichwort, dass ein Kind ein Dorf braucht, um aufzuwachsen, und ich finde, da liegt viel Wahrheit drin. Ich war einige Jahre lang als Digitalnomadin unterwegs und war mit meiner Tochter in verschiedenen Ländern. Unter anderem habe ich an einem Wohnmodell auf Zeit teilgenommen, in einem Bungalowdorf in Südportugal. Es waren mehrere Familien dabei, die ortsunabhängig und online arbeiteten, so wie ich damals auch, eine Familie hatte es organisiert. Wenn man Interesse hatte, konnte man sich anmelden, sich ein Bungalow mieten und so lange bleiben, wie man wollte. Ich fand es sehr schön, denn die Kinder hatten andere Kinder zum Spielen, es gab sogar ein Restaurant in der Anlage und ein Schwimmbad und man konnte sich gegenseitig besuchen oder mal gemeinsam etwas unternehmen, wie zusammen zum Strand fahren oder auf den Markt. Es war eine sehr schöne Erfahrung.


Gemeinschaftliches Leben heute

Während dieses gemeinschaftlichen Lebens auf Zeit im Bungalowdorf in Südportugal wurde natürlich auch über Gemeinschaftsgründung gesprochen und es wurden viele Ideen ausgetauscht.

Es ist heutzutage allerdings oft schwierig, so etwas zu initiieren und ich glaube, es ist vielleicht für viele Menschen, die sich dafür interessieren, einfacher, entweder in ein bereits bestehendes Projekt zu gehen, das von der Größe her und vom Lebensmotto her den eigenen Interessen entspricht und wo man vielleicht bereits jemanden kennt, oder erstmal mit wenigen Personen anzufangen, zum Beispiel mit ein paar Gleichgesinnten im selben Ort zu wohnen, um sich dieser Idee anzunähern, sich heranzutasten und sich kennenzulernen. Denn oftmals gehen solche Projekte auch wieder kaputt, weil man sich vorab nicht richtig kennengelernt hat.


In der „C-Zeit“ habe ich mir ziemlich viele Gedanken darüber gemacht, wie ich lieber leben würde. Ich war mit meiner Tochter und unseren beiden Katern in einem Haus in Spanien und wir waren sehr plötzlich sehr isoliert, inmitten dieser sehr befremdlichen Geschehnisse und einer Gesellschaft wie in einem schlechten SF-Film.
Dies sind meine Gedanken dazu, was ich mir für eine Art Land-WG oder Haus- und Hofgemeinschaft wünschen würde – diese Ideen sind Frühling 2020 bis Frühling/Sommer 2021 entstanden.
Man wohnt mit zwei bis fünf „Parteien“ (eine Partei = Einzelperson, Familie, Paar, Geschwister oder Freunde) auf einem Grundstück mit einem größeren Haus und dazugehörigen kleineren Wohneinheiten. Jede Partei hat ihren eigenen Wohnbereich mit Küche und Bad und auch am Haus oder an der Wohnung jeweils einen eigenen Bereich wie Terrasse oder kleines Stück Garten oder Wiese. Drumherum kann aber alles gemeinsam genutzt und bewirtschaftet werden. Es ist schön, wenn Raum da ist, um gemeinsam Lagerfeuer zu machen oder einfach draußen zu sitzen. Es hat nicht nur jeder sein eigenes Stück Garten, sonder es ist auch ein Gemeinschaftsgarten vorhanden. Gerade beim Thema Gartenbau ist es schön, sich gemeinsam einzubringen, weil jeder anderes Wissen mitbringt und man sich gut ergänzen kann, und sehr wichtig: Man kann auch mal ein paar Tage weg sein, ohne dass der Garten eingeht oder man jemanden engagieren muss. Wenn man ein Haustier hat, sind Menschen da, die es versorgen können, wenn man mal weg ist. Kinder haben auch andere Bezugspersonen als nur die eigenen Eltern, was für ihre Entwicklung sehr fördernd sein kann. Natürlich muss sowas auch auch gut abgesprochen werden, damit sich keiner ausgenutzt fühlt. Von daher ist es wichtig, dass man mit sich selbst im Reinen ist und mit beiden Beinen auf dem Boden steht und nicht Dinge auf die Mitbewohner abwälzt.
Jeder wirtschaftet für sich, aber es ist auch schön, wenn es einen Bereich gibt, wo auch das Ganze als Gemeinschaft Einnahmen erzielen kann.
Für jeden ist etwas anderes von Bedeutung, von daher ist es wichtig, sich mit den Menschen zusammenzutun, die ähnliche Schwerpunkte haben und Erwartungen und Wünsche im Vorfeld zu klären.


Vernetzung

Auch in einer zentralisierten Gesellschaft ist es möglich, sich mit anderen Menschen zusammenzutun. Und wenn man diesen Wunsch intuitiv verspürt, ist es gut, ihm nachzugehen. Man muss nicht gleich in einer Gemeinschaft wohnen. In vielen Städten und Orten gibt es gemeinschaftliche Gartenprojekte (Urban Gardening), Gemeinschaftswerkstätten, Food Sharing und Tauschringe.
Die heutige Gesellschaftsstruktur hat, auch wenn sie einige Vorteile bietet, auch ihre Limits. Unsere Vorfahren haben vor einigen Tausend Jahren in losen Familienverbänden lange Zeit friedlich gelebt. Das Leben, was wir heute haben, ist nicht das Optimum und gelangt immer mehr an seine Grenzen. Es basiert auf gesellschaftlichen Veränderungen, die ihren Anfang vor mehreren Tausend Jahren hatten: das Verheiraten von Frauen durch Männer, die Ehe als existenzielle Grundlage und die Abspaltung der Kleinfamilien von der Gemeinschaft, wenn sie in eine Stadt zogen, die Entwurzelung von der Natur, und später die Monarchien und großen Religionen, die Industrialisierung – all dies ist die Grundlage für die Situation, die wir heute haben.

Das Kleinfamilienmodell hat viele Schwächen, weil jede Familie damit beschäftigt ist, alles alleine zu bewältigen. Das führt immer mehr zu Überforderung oder auch Isolation.
In welchen Bereichen vernetzt ihr euch und womit seid ihr lieber allein?

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